Fremdgehen light
- thomasoberle8
- 17. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Noah erzählt lachend von einem Abend im Ausgang. Ein Kollege hatte Geburtstag, sie waren zu fünft in einer Bar. Irgendwann kam eine Frau dazu, mit der Noah sich gut verstand. Sie hätten ein bisschen geplaudert, sagt er. Und dann kommt der Satz, der bei Lara hängen bleibt:
„War irgendwie nett – sie hat mich dauernd angelächelt.“
Lara sagt nichts – aber innerlich zieht sich etwas zusammen. War das jetzt harmlos? Oder nicht?
Am nächsten Tag spricht sie es an. Fragt: „Würdest du sagen, du hast geflirtet?“Noah zuckt mit den Schultern: „Vielleicht. Aber ist doch nichts passiert. Ich bin ja mit dir nach Hause gekommen.“
Für Noah ist die Sache klar: Kein Kuss, kein Betrug. Für Lara fühlt es sich anders an: wie ein kleiner Riss im Vertrauen.
Wo fängt Fremdgehen an?
Diese Frage stellen sich viele Paare. Die Antwort? Sie ist selten eindeutig. Und fast nie für beide gleich.
Denn: Was für den einen ein harmloses Gespräch mit Charme ist, fühlt sich für die andere wie ein emotionaler Seitensprung an. Und genau da beginnt das Problem. Nicht, weil jemand „falsch“ liegt. Sondern weil viele Paare nie klar besprechen, was für sie persönlich Treue bedeutet.
Flirten – was ist das überhaupt?
Ein Blick, ein Lächeln, ein kurzes Kribbeln? Oder schon eine bewusste Suche nach Bestätigung, Aufmerksamkeit, Reiz? Für manche ist Flirten Teil der Persönlichkeit – charmant, verspielt, offen.Für andere ist es emotionaler Verrat, wenn der Partner solche Signale anderen schenkt.
Und beides ist okay – solange es abgesprochen ist.
Zurück zu Lara und Noah.
Ihre Reaktion ist keine Überreaktion. Und Noah ist kein Lügner. Sie sprechen einfach unterschiedliche emotionale Sprachen, wenn es um Nähe zu Dritten geht.
Lara braucht das Gefühl, dass gewisse Dinge exklusiv sind – nicht nur körperlich, sondern auch im Zwischenmenschlichen. Noah versteht Nähe mehr als etwas Lockeres, Spielerisches – solange keine Grenzen überschritten werden.
Die Herausforderung? Diese Unterschiede nicht persönlich zu nehmen – sondern gemeinsam zu besprechen.
Warum wir über Regeln sprechen sollten, bevor sie verletzt werden
Viele Paare tappen in eine ähnliche Falle: Sie gehen davon aus, dass der andere "schon weiss", was okay ist – und was nicht. Doch die Wahrheit ist:Was für dich selbstverständlich ist, kann für deinen Partner ganz anders aussehen.
Vielleicht hat Noah in früheren Beziehungen gelernt, dass Flirten nicht weiter problematisch ist – solange es bei Worten bleibt. Vielleicht hat Lara erlebt, wie kleine Unsicherheiten zu grossem Misstrauen wurden – und wünscht sich deshalb klare Grenzen.
Das heisst nicht, dass einer von beiden „zu locker“ oder „zu streng“ ist. Es heisst nur: Jeder bringt seine eigene Landkarte mit – mit Erfahrungen, Ängsten und Erwartungen.
Was hilft?
1. Ehrliche Gespräche – ohne DramaNicht im Streit, nicht im Vorwurf, sondern aus echtem Interesse:
„Wie denkst du über Flirten?“„Was wäre für dich ein No-Go?“„Was brauchst du, um dich sicher zu fühlen?“
2. Gemeinsame Regeln entwickelnNicht, um sich gegenseitig zu kontrollieren – sondern um Sicherheit zu schaffen.Und ja, das darf sich auch mal widersprechen. Dann gilt:
Aushandeln statt annehmen.
3. Einander nichts unterstellenLaras Verletzung ist real – und Noahs Absicht war trotzdem nicht verletzend gemeint.In Beziehung geht es nicht nur um Absichten, sondern auch um Wirkungen.Beides verdient Gehör.
Fazit
Liebe bedeutet nicht, dass alles klar ist. Liebe bedeutet, bereit zu sein, Klarheit zu schaffen. Wer ehrlich über Grenzen spricht, schafft Raum für Vertrauen – gerade in den Grauzonen zwischen Nähe und Distanz. Denn der Schmerz liegt oft nicht im Flirt selbst – sondern im Gefühl, dass der andere nicht versteht, was das mit einem macht.
Beziehung bedeutet auch, bewusst zu definieren, was uns wichtig ist – und nicht einfach zu hoffen, dass der andere es errät.


